Kostproben

Die Ballade vom braven Isidor

    Im Wald willst du spazierengehn?
    Alleine, ohne mich?
    So grüße mir das Moos recht schön.
    Und darum bitt‘ ich dich:
    Den Tau, der alles still benetzt
    mit seinem Silberflor.
    Den grüße auch und nicht zuletzt
    den braven Isidor.

Wie, du kennst den Isidor nicht?
So will ich dir von ihm erzählen.

    Du kennst das alte Försterhaus
    tief im grünen Tann.
    Von hier zog einst der Förster aus,
    wenn der Tag begann.
    Wenn er durch die Wälder strich,
    ob’s taute oder fror,
    stets zu seinen Füßen schlich
    der brave Isidor.

Doch der Förster wurde alt
und bekam die Gicht.
Das Gehn fiel schwer.
Jedoch das galt für Isidor ja nicht.
Das gute Tier sprang nun allein
morgens aus dem Tor.
Wollte selbst der Förster sein,
der brave Isidor.

    Und siehe da, der ganze Forst
    unterstand ihm schnell.
    Selbst der Adler hoch im Horst
    kannte sein Gebell.
    Doch wer wahrhaft Ordnung hält
    in Wiese, Wald und Moor,
    tut dies nicht, indem er bellt,
    braver Isidor!

Ging ein Wilddieb um im Wald –
alles kein Problem!
Isidor zog aus, und bald
war’s wie ehedem.
Fand man dann in seinem Blut
jenen Wilddieb vor,
sprach der Förster:
So ist’s gut,
mein braver Isidor.

    Als die junge Försterin,
    des Försters ganzes Glück,
    mal mit Isi Gassi ging,
    kam sie nicht zurück.
    Trug er auch ein schweres Joch,
    als er sie verlor;
    ein Gefährte blieb ihm doch:
    der brave Isidor.

Zum Pilze-Sammeln schickt der Koch
seine Kinder aus.
Pilze fanden sie, jedoch
sie fanden nicht nach haus.
Die Fahndung barg ’nen Kinderschuh,
und ein Schutzmann schwor:
Beim Forsthaus roch’s nach Pilzragout.
Braver Isidor!

    Einmal sprach der Förster scharf:
    „Isidor, komm her!
    Warum, wenn ich fragen darf,
    besucht mich niemand mehr?
    Auch, daß lang kein Brief eintraf,
    kommt mir seltsam vor.
    Warst du wirklich immer brav,
    mein braver … ISIDOR??!!!“

Heute liegt des Förster Stein
tief im Waldesgrund.
Dort hält Wacht tagaus tagein
treu ein alter Hund.
Manchmal hebt er sacht das Haupt,
und er spitzt ein Ohr;
rief nicht grad der Wind im Laub:
„Braver Isidor!“

    Doch ich erzähl, und du willst los!
    So geh mit Gott allein.
    Ich hoffe nur, dir fällt das Moos
    von mir zu grüßen ein.
    Den Tau, der alles still benetzt
    mit seinem Silberflor,
    den grüß zuletzt, doch grüß zuvor
    den braven Isidor.